Steigende Baukosten und mehr Elementarschäden lassen die Prämien in der gewerblichen Gebäude- und privaten Wohngebäudeversicherung deutlich steigen. Für viele Kunden ist das ärgerlich – dabei gerät das eigentliche Risiko aus dem Blick.
Noch nie haben Naturgefahren in Deutschland so hohe Schäden verursacht wie im vergangenen Jahr. Verantwortlich dafür sind die verheerende Sturzflut im Juli und der Hagelschlag im Frühsommer.
Extrem, extremer, 2021: Das vergangene Jahr war für die deutschen Wohngebäudeversicherer kostspielig. Noch nie haben Naturgefahren für so hohe Schäden an Häusern gesorgt, wie in den zurückliegenden zwölf Monaten. Insgesamt 12,5 Milliarden Euro an Schäden registrierten die deutschen Versicherer, der Löwenanteil entfiel dabei auf die Wohngebäudeversicherung. Maßgebliche Verantwortung dafür trug in erster Linie Unwettertief Bernd, das weite Teile insbesondere von RheinIand-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verheerte. Aber auch andere Ereignisse wie schwere Hagelstürme im Süden des Landes sorgten für Schäden im Millionenbereich.
Doch die erhöhte Gefahr von Extremwetter ist längst nicht der einzige Kostentreiber für die Versicherer – immer mehr belastet die hohe Inflation die Ausgabenseite. In seiner Dezemberausgabe von „Makro & Märkte“ wies der GDV bereits auf die Folgen der Inflation, insbesondere bei den Baupreisen, hin. „Veränderte Schadenaufwendungen und damit verbunden eine Anpassung der langfristigen Schadenerwartungen führen dann in der Regel zu einer Neukalkulation.“
Bereits 2021 stiegen die Preise für Baumaterialien so stark wie seit über 70 Jahren nicht mehr, stellte das Statistische Bundesamt fest. So verteuerten sich beispielsweise Dachlatten innerhalb von zwölf Monaten um 65,1 Prozent, bei Bauholz lag der Preiszuschlag mit 61,4 Prozent nur unwesentlich niedriger. Der Ukraine-Krieg hat diese Entwicklung noch einmal verschärft: Die dadurch rasant nach oben schnellenden Energiepreise verteuern beispielsweise die Herstellung von Dachziegeln massiv. Bis Ende Mai könnten die Preise bis zu 40 Prozent über denen von Anfang des Jahres liegen, schätzt der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks.
Wohngebäudeschutz wird teurer
Für die Wohngebäudeversicherungskunden dürfte es in Zukunft deutlich teurer werden – nicht nur, weil ihre Verträge an den Baupreisindex gebunden sind und somit die steigenden Preise für Holz und Zement automatisch einpreisen. Viele neuere Verträge verfügen zudem über eine Prämienanpassungs-klausel, mit der Versicherer erhöhte Aufwendungen für die Regulierung von Gebäudeschäden an ihre Kunden weitergeben. Viele Versicherer erhöhen in diesem Jahr deutlich ihre Prämien. Eine Blitzumfrage des Versicherungsmagazins Anfang des Jahres offenbarte, dass beispielsweise die R+V die Prämien mancher Kunden um bis zu 13,5 Prozent anpassen wird, bei der Alte Leipziger sind es bis zu 12 Prozent, bei der Signal Iduna bis zu 10 Prozent. Auch Versicherungsmakler Harald Thummet, der einen großen Bestand an Wohngebäudeversicherungen verwaltet, beobachtet exorbitante Preissteigerungen“ bei vielen Verträgen- je nach Tarif und Risiko gar bis zu 15 Prozent.
»Verwöhnte« Kunden
Dies sei zwar aus Sicht der Kunden ärgerlich, dennoch verschmerzbar. „Der Kunde ist in diesem Bereich teilweise auch einfach verwöhnt. Während keiner über die 1.000 Euro Versicherungsprämien für sein 40.000 Euro teures Auto klagt, sind Prämien in dieser Höhe bei einem Haus mit 20-fachem Wert plötzlich ein Problem“, weist Thummet auf einen häufig feststellbaren logischen Widerspruch hin, den er auch gerne als Argument im Gespräch mit seinen Kunden festhält.
„Obwohl Neuverträge im Gegensatz zu sehr alten Verträgen eine Beitragsanpassungsklausel enthalten und somit die Beitragssteigerungen höher ausfallen, rät der Heroldsberger Makler seinen Kunden meist dazu, die Verträge zu erneuern. Denn bei Altverträgen fehlt es in der Regel an der extrem wichtigen Klausel „Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit“.
Um im Neukundengeschäft allzu happige Prämienerhöhungen zumindest abzudämpfen, rät Thummet immer häufiger zur Selbstbeteiligung. Eine solche lässt sich pauschal, bei manchen Anbietern aber auch spezifisch für einzelne Gefahren, beispielsweise Leitungswasserschäden, vereinbaren. „Wir haben festgestellt, dass sich eine Selbstbeteiligung bei einigen Anbietern, unter anderem der Axa, massiv auf die Prämienhöhe auswirkt“, so Thummet. Prämienersparnisse bis zu 200 Euro im Jahr seien somit möglich.
Eine Selbstbeteiligung ist dabei nicht nur aus prämientechnischen Gründen ratsam. „Die Wohngebäude-Sparte ist extrem sensibel bei den Versicherern“, weiß Thummet. Schon zwei kleinere Leitungswasserschäden der Größenordnung 200 bis 300 Euro machen eine Umdeckung schwierig bis unmöglich, spätestens nach dem dritten Schaden droht häufig die Kündigung. „Schon hier rate ich Kunden ohne Selbstbeteiligung, solch geringe Schäden aus eigener Tasche zu bezahlen. Entsprechend ist es sinnvoll, eine solche Selbstbeteiligung von vornherein zu vereinbaren.“ Schon nach einem Leitungswasserschaden kann eine Umdeckung Sinn ergeben, selbst wenn dies Mehrkosten für den Kunden bedeutet. Die Prämienanpassungen sind folglich nicht der einzige Faktor, den Versicherungsnehmer im Auge behalten sollten – auch die große Sensibilität der Versicherer bei Sanierungen sollte stets mit berücksichtigt werden.
Quelle: Procontra online